Am Tag, als Peron stirbt, wird Nito geboren. So kommt er nahezu unbemerkt zur Welt, weil der Rest des Landes trauert. Das ist Nito recht, und es wird ihm recht bleiben: Zu viel Aufmerksamkeit mag er nicht. Ausser, er holt sie sich selber.
Der Argentinier Martin Caparros hat mit “Die Ewigen” (Originaltitel: “Los Livings”) ein Buch über das Leben geschrieben, vor allem aber auch eines über die Idee eines Lebens nach dem Leben: über die Möglichkeit, dass die Toten unter uns bleiben, nicht als Geister, wie so oft in südamerikanischen Romanen, sondern in ihren einbalsamierten Körpern, auf einem Sessel im Wohnzimmer, als wären sie nie weg gewesen.
Nito, der ohne Vater aufwächst und lange nicht erfährt, warum, wird zu einem Experten für die Angst vor dem Tod und lässt sich mit seinem Talent vor den Karren eines Pastors spannen, der seine Schäfchen über ein exzessives Memento mori in die Gemeinde zurückholen will. Mit dem Freund seiner Mutter tut sich Nito schwer: “Ich weiss nicht, ob meine Mutter uns auf Distanz hielt oder ob er keine Lust hatte, sich mit einem Jungen abzugeben, der immer der Sohn eines andern sein würde. Ich gab mir Mühe, aber nicht allzu viel. Ein paar Monate war ich Fan von Atlético Independiente, um ihm zu gefallen, aber ich bezweifle, dass er mein Bemühen bemerkt hat.”
Der Fussball rhythmisiert diese Geschichte, wie er Argentinien rhythmisiert. Doch Nito wird nie ergriffen, “obwohl ich so etwas wie ein argentinischer Junge war. (…) Vielleicht hatte es damit zu tun, dass ich ein miserabler Spieler war, oder umgekehrt; jetzt, erst jetzt denke ich, hätte ich ein wenig mehr Fussball gespielt, wäre mein Kinderleben einfacher gewesen, sehr viel einfacher. Und vielleicht mein jetziges auch.”
(Martin Caparros: Die Ewigen. 444 Seiten. Berlin-Verlag, Berlin 2014.)