Zürich sucht den Musterfan

Die NZZ macht es heute publik: Geht es nach der Pyro-Arbeitsgruppe aus Stadt Zürich, FCZ und GC, soll beim FCZ-Heimspiel gegen Servette am 24. November “im Zürcher Letzigrundstadion eine Zone speziell markiert sein. In dieser will die Stadt den FCZ-Anhängern das Abbrennen von Pyrotechnik genehmigen”.

Der Vorstoss der Arbeitsgruppe ist mutig. Er unterläuft u.a. das Hooligan-Konkordat, das Feuerwerk als gewalttätiges Verhalten einstuft und mit Rayonverbot und einem Eintrag in die Hooligandatei ahndet. Eine Verschärfung des Konkordats wurde eben erst vom Zürcher Kantonsrat gutgeheissen. Die Stadt Zürich stellt sich damit implizit auf den Standpunkt, dass die grundsätzliche Gleichsetzung von Feuerwerk und Gewalt im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen falsch sei.

Der Vorstoss ist aber vor allem heikel. Er bringt, ob gewollt oder nicht, die Fans unter Zugzwang. Konkretisiert sich das Angebot bis zu besagtem Novembertermin tatsächlich und die Leute der Zürcher Südkurve lehnen es ab, ist das grosse Gebrüll vorprogrammiert: Dann werden es alle schon immer gewusst haben, dass Dialog und Kompromiss bei Fussballfans die falschen Mittel sind.

Dass sich Fans finden lassen, die sich für den Versuch zur Verfügung stellen, ist mehr als fraglich. Zum einen ist jede (offizielle) Zusammenarbeit mit Behörden oder Polizei in Fankreisen verpönt. Zum andern ist Feuerwerk heute mehr denn je Ausdruck einer rebellischen Haltung, ein Symbol dafür, dass “das Feuer” trotz aller Repression nicht erlischt. Und schliesslich stelle man sich vor, wie das dann aussähe an jenem 24. November: 4-5 unvermummte, behördlich beglaubigte Vertreter der Südkurve in einem abgesteckten Sektor am Zündeln, eingefangen von den Teleobjektiven des Unterhaltungskonzerns Ringier, der sich mächtig freut über neuen Stoff, über die “legalen Pyro-Trotteln aus Zürich”.

Mutig wäre es von der Südkurve, würde sie es trotzdem tun; sich um Szene-Dogmen und Ultra-Manifeste foutieren, den Scharfmachern in der Pyro-Debatte den Wind aus den Segeln nehmen. Wahrscheinlicher ist, dass sich nichts tut. Dazu lohnt sich ein Blick nach Deutschland: Dort hat der DFB Gespräche mit Fanvertretern für eine Lösung im verfahrenen Pyro-Konflikt abgebrochen. In den Medien wurde der Verband dafür gescholten, die Fans fühlten sich verraten. Nur: Letztlich hätte den Feuerwerklern in den deutschen Stadien nichts Besseres passieren können. Jetzt können sie sagen: Wir wollten ja reden, wir wollten ja eine Lösung, aber die wollten nicht. Also machen wir nun, was wir wollen. Der Gesprächsabbruch des DFB ist auf lange Zeit hinaus die moralische Legitimation für jeden Pyromanen in einem deutschen Stadion. Wäre es aber irgendwann um die konkrete Umsetzung gegangen, die Fan-Vertreter wären vor einer ungleich schwierigeren Situation gestanden.

Es ist in der Pyro-Frage kein Blumentopf zu gewinnen. Oder doch? Daniel Jositsch, SP-Nationalrat, Strafrechtsprofessor und Verfasser eines 12-Punkte-Programms gegen Hooliganismus, will, dass künftig die Polizei ins Stadion geht und die Pyromanen aus der Kurve holt. Wenn dereinst nur noch in dafür vorgesehenen Sektoren gezündet wird, könnte das vielleicht sogar klappen.

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2 Responses to Zürich sucht den Musterfan

  1. manuela schiller says:

    Zur Frage, ob diese Idee gut, schlecht, umsetzbar oder nicht ist, passe ich. Wir werden ja sehen, ob unsere Erwartungen, Unkenrufe, Spekulationen etc. sich bewahrheiten oder nicht.

    Aber zum schlecht oder gar nicht recherchierten Unsinnn , den ich in diversen Medien dazu gelesen habe, erlaube ich mir einige juristische Basics in diesem Blog festzuhalten:

    1. Das Sprengstoffgesetz besteht aus einem ersten Teil, in welchem Defintionen stehen und gewisse Dinge verboten werden, andere nicht. Für gewisse Dinge braucht es Bewilligungen, für andere nicht. Zuletzt gibt es dann einen Teil mit Strafbestimmungen. Dort steht, dass immer dann, wenn im vorderen Teil etwas verboten ist oder eine Bewiligung voraussetzt, sich derjenige strafbar macht, der ohne eine solche Bewilligung oder entgegen eines ausdrücklichen Verbotes Sprengstoff oder Pyrotechnik besitzt, transportiert, einführt, verwendet etc.. Immer dann, wenn im Gesetz nix von Verbot oder Bewilligung steht, ist der Besitz, der Transport, die Einfuhr, etc. auch nicht strafbar. Auch Leuchtfackeln und Rauchtöpfe bezogen heisst dies: der Besitz ist nicht verboten, zünden darf man aber nur, wenn man sie “zu gewerblichen Zwecken” verwendet, also z.B. ins See- oder Bergnot. Im Stadion geschieht dies gemäss diese Definition aber zu Vergnügungszwecken.”Nur” diese zweckentfremdete Verwendung steht unter Strafe.
    2. Daneben gibt es viele pyrotechnische Gegenstände, welche per Definition auch für Vergnügungszwecke gedacht sind. Fedpol hat eine informative Seite zu diesen Fragen: http://www.fedpol.admin.ch/content/fedpol/de/home/themen/sicherheit/sprengstoff_pyrotechnik/pyrotechnische_gegenstaende.html

    Feuert man diese ab, verstösst man also meist nicht gegen das Sprengstoffgesetz. Man darf solche zum Eigenbedarf sogar meist (bis 2.5 kg) legal einführen. Eine Ausnahme sind aber z.B. am Boden knallendes Feurwerk und Ladycrackers über 22mm, die man nicht einführen darf.

    3. Verboten ist das Zünden aber ausser am 1. August und am 31. Dezember trotzdem fast immer. Aber nicht wegen des Sprengstoffgesetzes, sondern weil dies in den kommunalen Polizeiordnungen so steht. Lässt man trotzdem Feuerwerk ab, riskiert man “nur” eine Busse.

    4. Die Stadionordnung verbietet das Zünden jeglichen Feuerwerks – egal welcher Kategorie. Wer dagegen verstösst, kann also ein Stadionverbot kriegen. Der Klub als Hausherr könnte den Fan der Polizei melden und es gäbe je nach Kategorie eine Busse oder ein Strafverfahren.

    5. Wer egal wie, andere Menschen gefährdet oder verletzt, mach sich strafbar nach den bestehenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches.

    Fazit: KKJPD, Polizei, Vertreter des SFV und Journalisten bringen in ihren Statements oft Chruut und Rüebli durenand. Es gibt sehr wohl einen Spielraum, um diese Vorschläge legal durchzusetzen. Ob sie aber überhaupt sinnvoll sind, darüber lässt sich dann sehr wohl trefflich streiten.

  2. admin says:

    Vielen Dank

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