Freitag in Mönchengladbach

Wo der Bökelberg einst stand, versuchen sie heute Luxusappartments an Mann und Frau zu bringen. Erzählen unsere Fremdenführer und machen dabei eine abschätzige Handbewegung. Wir sind auf dem Weg, auf dem Feldweg Richtung neues Stadion. Es ist so etwas von abgelegen, dass man denkt: das kann auch nur in Deutschland funktionieren. Dass die Leute ohne Wenn und Aber auch da hinaus fahren. Gut, vielleicht noch in England. Aber sonst vor allem in Deutschland. Wir wollten ja eigentlich nach Essen an die Hafenstrasse, zum Pokalspiel gegen Union Berlin, aber die Frau am Telefon – sie sass im Kassenhäuschen – hatte am Vortag schon abgeraten: “Hören Sie, tun Sie das nicht, kommen Sie nicht her. Es bleiben nur noch wenige Karten, und vor mir steht eine lange Schlange Menschen.” Vierte gegen Zweite Liga, mitten im Sommer, und es kommen 11’000. Wir kommen nicht.

Am Empfang im Borussia-Park sitzt ein Mann. “Guten Tag, ich möchte etwas abgeben für Herrn Favre.” “Für Herrn Faber?” “Nein, Favre. Favre, den Trainer.” “Gut. Ich schreib das mal auf. Auf die Gefahr hin, dass ich das falsch schreibe.” Dann schreibt er. V-A-V-R-E. Und legt den Zettel auf das Buch mit dem Brief. Dann: “Mal schauen, ob er da ist.” Dreht sich auf seinem Drehstuhl nach rechts und klickt sich durch seine sechs Monitore. Dann zoomt er den einen Trainingsplatz heran, wo sich Menschen drauf tummeln. “Er ist nicht da”, versuche ich zu helfen. Er klickt weiter. “Er ist in Regensburg. Die Borussia spielt da heute. Deshalb möchte ich das Buch für ihn abgeben.” “Ok.” Dann essen wir ein Stück Kuchen im Vereinsbistro, wo sich an diesem Nachmittag um fünf noch rund ein Dutzend Fans in Grün-Weiss-Schwarz eingefunden haben, die ebenfalls Kuchen essen oder Getränke trinken und dazu eine Wiederholung des Bundesligaspiels Stuttgart-Hannover schauen. Des Bundesligaspiels Stuttgart-Hannover von vergangener Saison.

Draussen zeigt man uns die Raute aus Rauten, hundert mal hundert Räutchen ergeben die grosse Raute, hundert mal hundert kleine Tafeln, die sich Leute geleistet haben zur Verewigung und zur Unterstützung des Vereins. “Irgendwo ist dasjenige meines Bruders”, sagt unser Fremdenführer, aber wir brechen die Suche bald ab. Statt Essen-Union gibts Essen und Hohn. Also erst den Hohn, dann das Essen. In einer Borussia-Kneipe, wo auch GC- und Aarau-Schals hängen, schauen wir ein paar Takte Pokal, Regensburg-Gladbach, trinken Alt für 1 Euro 40 und sehen: Favre ist wirklich dort, in Regensburg. Wir haben nicht geblufft. Ein Mann zu uns: “Woher seid Ihr denn? Da muss ich mir ja einen Dialekt ertragen hier, du meine Güte.” “Schweiz”. “Auf Montage hier?” “Nein, auf Hochzeit.” Und dann will er über Fussball reden. Ob es den in der Schweiz überhaupt gibt, will er wissen. Und beisst dabei in sein Pils. “Ich kenne nur einen Österreicher, der wirklich gut ist, und das ist der Podolski.” “Prohaska?” “Nein, der Podolski. Aber bei diesen vielen Namen komm ich kaum mehr draus.” Schluck. “Hitzfeld ist für mich kein Trainer. Der hatte immer nur gute Teams. Das kannst du auch und du auch und ich kann das auch, solche Teams trainieren. Da lässt du eineinhalb Stunden laufen, morgens, mittags, nachmittags, und dann gewinnen die schon.” Schluck schluck schluck. “Den alten Holländer, den fand ich gut. Den Michels.” “Den Rinus?” “Ja, minus. Geht ins Steakhaus essen, das ist gut. Die Beilagen dort, riesig. Und ich brauche Beilagen, wie man sieht.”

Das Steakhaus. Wir gingen in ein anderes. Und man gab uns Wels. Wels mit Weisswein in der Literflasche. Am nächsten Tag fahren wir durch die Gegend. Windmühlen, Baumschulen, ein Ort namens Süchtling und ein Bus nach Kothausen. So nah und doch so fern. Oder so fern und doch so nah? Das ist nicht immer einfach zu beantworten. Was wir nun aber wissen: Der Gladbach fliesst heute unter der Stadt hindurch, und die Mönche sind weg. Geblieben ist das Münster. Darin sagt der Pfarrer: Gottes Liebe ist wie ein glühender Backofen.

 

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3 Responses to Freitag in Mönchengladbach

  1. TRIGGERDUKE says:

    Wer immer dieser Zlaty Bassant ist, er schreibt grossartig.

  2. Stibe says:

    schliesse mich Triggerduke an. Schickt den Herrn doch NOCH MEHR auf Reise(n).

  3. le four d'amour says:

    Zurück aus dem formentensischen Backofen in den Zürcher Backofen. Es lebe das GPS in den mönchengladbachschen Auen und das Zapfbier im DB Speiswagen.
    le four d’amour

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