Mit Tony Renis im Flachland

SchneemannJetzt, wo sich der Winter bitte langsam dem Ende zu neige, was ich für einen sehr gelungenen Einstiegssatz halte, weil neige = Schnee, jetzt also ist der richtige Moment für eine Liegefahrt im Wiener Walzer, unter dem Arm ein Buch über eine Frau, die im Wiener Walzer fährt (und noch in ganz vielen anderen Nachtzügen). Wie immer ein tolles Erlebnis. Vor allem auch die stets zurückhaltende Art des Liegewagenpersonals, wenn es darum geht, den schon in Linz Aussteigenden das Frühstück zu bringen. Tür aufreissen mit 134 Dezibel, alle verfügbaren Lichter an und dann laut schreien: “Wea hot Tee, wea Kaffee?” Danke, ich nicht, ich habe nur Zeit, noch zwei Stunden um genau zu sein, die ich eigentlich schlafend verbringen könnte, bis Wien, so Sie mich denn lassen.

Die Feier zur 50. Ausgabe des besten Fussballmagazins im erweiterten Alpenraum hält, was sie verspricht, nur dass die grossen Flaschen Newcastle Brown Ale bald ausgehen. Erinnert sich jemand an Alex Rubli? Er war einmal der Beifahrer vom Meteo-Bucheli, in der Frühphase. Alex Rubli hat einmal in der Schweizer Illustrierten gesagt auf die Frage, was ihn glücklich mache: Newcastle Brown Ale. Das Schöne an diesem Bier ist auch die weisse Flasche. Mit jedem Schluck leert sie sich sichtbar, und wenn nichts mehr drin ist, wirkt sie leicht und zart. Und der GCZTrinker ist glücklich, wie Alex Rubli. Ich habe aber zu früh die Segel gestrichen. Es ist das Alter. Beim Rausgehen zeigt mir der Herr Direktor persönlich noch einen Aufkleber eines Schweizer Fussballvereins, den ich so dort nicht erwartet hätte. Mit Sack und Pack schleppe ich mich zum hölzernen Würstlstand und bestelle wie angewiesen eine “Bosna”: Zwei Bratwürste in einer langen Semmel mit allerlei Gewürzen und Saucen, ein veritables Menu, das sich zu einer langen Schifffahrt in einem Meer aus Brown Ale aufmacht.

HSVEs gibt aber auch Tageslicht in Wien. Dabei ist zu erfahren, dass ein bekannter Hamburger Sportverein in Österreich umsonst Mobiltelefone verteilt. Ich hab aber schon eines, und das reicht mir vollkommen. Auf dem Flohmarkt überlege ich mir den Kauf einer  Postkarte mit einer Giraffe vorne drauf, ein Relikt aus den 80er Jahren, Safari-Park irgendwas. Die Frau möchte einen Euro dafür. Das ist sehr teuer, wenn man bedenkt, dass nebenan nagelneue Handys verschenkt werden. Ich lege die Karte zurück in die Kiste und schäme mich auf einem ausgedehnten Spaziergang entlang der Donau ob meiner Knausrigkeit. Dort sehe ich, wie sich ein Heer von Bibern von Osten her allmählich die StadtDSmampf einverleibt. Also: Wer noch nie in Wien war, sofort hingehen. In ca. drei Jahren ist da alles weggefressen.

Dann fährt der Zug hinaus in die Neustadt, Sturm Graz ist zu Gast bei Magna, dem neuen Spielzeug von Herrn Stronach. Eine interessante, sehr flache Gegend. Und Gäste-Anhänger mit einem für mich nur noch schwer zu entziffernden Idiom. A goa da guegg da goan da guaag. Der junge Herr vor mit im Block trägt eine Jacke mit einer Ausbuchtung am Rücken, auf der steht: “Avalanche Rescue System”. Sehr beruhigend. Es sind zwar keine Erhebungen auszumachen rund um Wiener Neustadt, aber angenommen es wären, angenommen die Tektonik hätte plötzlich einen Anfall und Berge würden sich erheben und Schnee zu Tale stürzen, dieser Mann vor mir wäre auf der sicheren Seite, und ich würde mich an seine Kapuze hängen und wäre mitgerettet. Solche Sachen können einem schon in den Sinn kommen bei einem Spiel, in dessen Verlauf es genau eine Torchance gibt, die zudem vergeben wird. “Gemma Gemma Gemma” singen unterdessen und mit Ausdauer die “Schwoazn” aus Graz, eine schöne Reminiszenz an Tony Renis‘ “Quando Quando Quando”.

Dann überstürzen sich die Ereignisse und auf der Rückfahrt auch die Dose Zywiec des mitgereisten Direktors, der sich dafür in einem Anflug beispiellosen Anstandes cat_1125660977bei den übrigen Abteilinsassen für die nasse Sauerei inklusive Geruchsemissionen entschuldigt. Höflichkeit kennt keine Grenzen innerhalb von Österreich. Um ein Haar verpasse ich den Nachtzug nach Hause, schuld war ein explosionsartig aufkommendes Hungergefühl. Ich schnappe mir eine Lange Scharfe Ungarische, das ist die Paradewurst der Westbahnhof-Bude, und sie wird, als wäre sie ein Wienerli, in ein Brot gesteckt, obwohl sie grösser ist als ein ausgewachsener Schüblig – ein gigantischer Hotdog. Mein Abteil, das ich dank einer glücklichen Fügung (für alle andern) mit niemandem teilen muss, erlebt einen Brosamenregen sondergleichen, so knusprig ist der Brotschlafsack der Langen Scharfen Ungarischen. Am Morgen bleibe ich aus Protest liegen, bis links das Perron vom Zürcher Hauptbahnhof erscheint. Es ist 7.19 Uhr. Der Schaffner wird ranzig: “Jetzt sind Sie aber wach ja!” Jetzt bin ich wach, ja.

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One Response to Mit Tony Renis im Flachland

  1. Alex says:

    und wenn ich durch die Strassen geh… lg vom schwoazn

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