Crvena Zvezda

Kürzlich war zu lesen, dass Roter Stern Belgrad vor dem Konkurs steht. Der Verein, Meistercupsieger von 1991, soll 25 Millionen Euro Schulden haben, was für serbische Verhältnisse eine gigantische Summe ist. Sein Ende ist ein verspätetes Requiem auf das längst untergegangene Jugoslawien: Der Klub, bis in die achtziger Jahre ein Spielzeug der Partei und des Geheimdienstes, nahm für sich in Anspruch, den Vielvölkerstaat zu repräsentieren. Roter Stern Belgrad wollte ein Teamwork von Slowenen, Kroaten, Bosniern, Serben, Albanern, Montenegrinern und Mazedoniern sein im Namen des sozialistischen Fortschritts. 1991, als bereits Panzer durch Jugoslawien rollten, kam der Klub diesem Ideal am nächsten: Im Meistercupfinal gegen Marseille in Bari standen unter anderem mit Robert Prosinecki ein Kroate, Sinisa Mihailovic ein Serbe, Darko Pancev ein Mazedonier und Dejan Savicevic ein Montenegriner im Team.

Ich habe diesen Klub immer gemocht, er ist meine erste Liebe. Ich habe bis heute an ihm festgehalten, auch wenn es in den letzten 20 Jahren viele Gründe gab, mich loszusagen: Die nationalistische Wende der Delije, der Ultras des Vereins. Den Kriegsverbrecher Zeljko Raznatovic alias Arkan, der es vom Kleinkriminellen über den Capo zum Anführer einer Freischärlertruppe, die sich hauptsächlich aus der Kurve rekrutierte, gebracht hatte. Die mafiösen Strukturen des Vereins, die heute von der Staatsanwaltschaft untersucht werden. Die Tragödie von Roter Stern Belgrad hat derzeit auch eine komödiantische Note: Die Delije, in der Zwischenzeit eine kriminelle Vereinigung, rufen zu Spenden zur Rettung des Vereins auf.

Die Nachricht vom bevorstehenden Konkurs rief mir in Erinnerung, warum ich eigentlich an diesem Verein festhalte. Ich hatte diesen Entscheid in meiner frühen Kindheit gefällt. Mein erstes Spiel in einem richtigen Stadion war Zeljeznicar Sarajevo gegen Olimpija Ljubljana, zu dem mich mein Grossvater mitnahm. Ich war tief beeindruckt von den vielen fluchenden, rauchenden Männern, die ihren Unmut über das offenbar erbärmliche Spiel mit Pfiffen kund taten. Doch das Initiationsritual meines Grossvaters schlug fehl. Ich wurde kein Fan von Zeljeznicar. Darko hat es verhindert.

Darko war ein Nachbarsbub, mit dem ich in meinen ersten drei Lebensjahren in Sarajevo oft spielte. Als er mich einmal fragte, welche Mannschaft mir am besten gefalle, wusste ich keine Antwort. Dann zählte er vier Vereine auf, und ich musste mich entscheiden: Dinamo Zagreb, Hajduk Split, Partizan Beograd, Crvena Zvezda Beograd. Ich wählte Crvena Zvezda, weil mir der Klang des Namens am besten gefiel. Für westeuropäische Ohren mag Crvena Zvezda hölzern, ja hart tönen. Im Serbokroatischen klingt er lieblich. Wahrscheinlich strahlten meine Augen damals so, wie es heute diejenigen meiner Tochter tun, wenn ich ihr davon erzähle, dass Eric Hassli ein Tor geschossen hat. Sie spricht dessen Namen nicht kurz und streng als Hassli aus, sondern melodiös als Haseli.

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