Wann ist der Röstigraben schuld?

„Es war nicht so, dass wir Deutschschweizer die Romands nicht mochten, doch Lucien Favre, Michel Decastel, Umberto Barberis und wie sie alle hiessen, sassen an einem Tisch, die Deutschschweizer an einem anderen. Man ging sich aus dem Weg. Bei der An- und Abreise grüssten wir uns jeweils, mehr jedoch nicht. Und drei Tage später stieg man in der Meisterschaft gegen die Romands wieder hart in die Zweikämpfe. Shakehands oder Umarmungen wie heute vor dem Spiel wären damals undenkbar gewesen. Ich hätte wohl weit weg geschaut, irgendwohin ins Blaue, aber sicher nicht ins Gesicht des Gegners. Zu angespannt, zu geladen war ich vor den Partien. Ich bin überzeugt, dass wir uns ohne den Röstigraben für ein grosses Turnier qualifiziert hätten.“ – Den Beweis für CH- England 1981 001seine Einschätzung liefert Roger Wehrli  in „Das Spiel meines Lebens“ (Rotweiss Verlag, 2011)  gleich nach: Das 2:1 der Schweiz gegen England am 30. Mai 1981 in Basel . – Der neue Nati-Coach Paul Wolfisberg hatte nur noch einen einzigen Spieler mit französischer  Muttersprache aufgestellt. Wobei das ja so eigentlich auch nicht ganz stimmt, denn  Umberto Barberis plapperte seine ersten Worte wohl in Italienisch, da seine Familie aus Italien ins Wallis eingewandert war. Aber mit dem Röstigraben ist es auch sonst recht verzwickt: Der Oberwalliser Torhüter Erich Burgener lebte als Profi nur in der Romandie. Sprach er im Traum schon französisch? Fühlte er als Romand? –  Auf all diese Fragen gibt Erich Burgener mit seiner gewohnten Zurückhaltung und auf sympathische Art und Weise mögliche Antworten, ebenfalls in “Das Spiel des Lebens”- bei ihm war es ein 0:0 bei England – Schweiz im Wembley 1977: Burgener wurde 1969 vom ehemaligen Schweizer Nati-Goalie Frankie  Séchehaye entdeckt.  – Séchehaye hatte als Sohn eines CH-Nati 1934 in Genf 001Schweizer Arztes und Missionars einen Grossteil seiner Kindheit im heutigen Mosambik verbracht, bevor die Familie nach Genf  zurückkehrte. Séchehaye wechselte 22-jährig von Etoile Carouge zum Club Français Paris, mit dem er 1930 die  Pariser Meisterschaft, und 1931 den französischen Cup gewann. Später spielte er in der Schweiz für Servette Genf und Lausanne-Sports, wo er nach seiner Aktiv-Karriere Torhüter-Talente ausbildete. (Auf dem Bild Séchehaye 1934 mit Mütze, beim 2:3 der Schweiz gegen Österreich in Genf.) – Ins Wallis sei Séchehaye an jenem Sonntag 1969 eigentlich nur gefahren, um Morcheln und Schwämme zu sammeln, erinnert sich Burgener, dann habe er seinen Ausflug verlängert, um sich das Spiel des FC Raron anzusehen. Die Goalie-Legende habe ihn überzeugt, nach Lausanne zu wechseln, wo er zwei  Mal die Woche Reflexe, Beinarbeit, Positionsspiel und Winkelverkürzung trainiert habe.Und all diese Lobeshymnen aus dem England-Spiel verdanke er vor allem einem Mann: Frankie Séchehaye.

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