Manchmal weiss man nicht wohin: In Winterthur gastiert das wankende Servette beim Klub, wie es ihn nur einmal gibt in der Schweiz. In Schaffhausen spielt das bescheidene Biel gegen die unzerstörbaren Schwarzgelben. In Wil könnte Lausanne das 11:3 vergessen machen und den lästigen Kantonsrivalen ins Elend stossen. – Fans sind irrational, sie ziehen das Drama dem schönen Fussball vor. – Winti fällt also weg. Mit Biel fiebere ich nicht wirklich mit, ich habe Sympathie für den Klub. Die Gurzelen hat mir Eindruck gemacht, zudem verdient eine zweisprachige Arbeiter-Stadt einen anständigen B-Klub. Drum also doch Wil: Die IPG-Arena ist ein seelenloser Fussball-Tempel, in der dumme Werbung läuft – zum Beispiel für eine Firma „aus der Küchenhauptstadt Sirnach“. Die Fans auf der Gegentribüne sind so wie auf allen Gegentribünen auf der Welt: Bunt gemischt – jung, locker, tätowiert, aber auch pensioniert, frustriert und fachkundig. Als Tabakovic endlich eine seiner Chancen verwertet, sagt einer: „Ich hätte nicht gedacht, dass er sie noch macht.“ Haris Tabakovic wurde vor dem Match offiziell verabschiedet, so wie Pascal Cerrone auch, der einst als grosse Hoffnung galt und jetzt im Wil-Dress einfach solid seinen Part spielt, aber keine Akzente mehr setzen kann. Die IPG-Arena ist ein Fussball-Tempel mit ganz viel Beton und wenig Herz für den treuen Fan auf der Gegentribüne. Wie zum Himmel kann man in einem der regenreichsten Gebiete der Schweiz ein Stadion ohne Dach für die Menschen auf den Stehplätzen bauen? Sonst hat man wirklich an alles gedacht: An Logen, an eine überdachte Haupttribüne, an ein Hallenbad, ein Freibad, eine Eishalle, an einen eingezäunten Gästesektor mit separater Verpflegung, an Kunstrasen, an WCs mit schönen Plättli. – Aber ein Dach für die Treusten unter den Fans, da fehlte dann halt leider das Geld. – Fabio Celestini, der Lausanne-Trainer coacht ruhig und wirkt dabei besonnen. Als sein Team kollabiert und drei Tore in wenigen Minuten kassiert, sitzt er nur noch reglos auf der Bank. Erdal Keser, der neu verpflichtete Wil-Trainer zerplatzt fast vor Energie und schreit seine Ratschläge aufs Feld, als wollte er sie seinen Jungs richtig um die Ohren hauen. Die Wil-Kurve singt „Klassenerhalt“ und zwischendurch „Scheiss-Sangalle“ und „SchwizerMeischter FC Wil“. Am Schluss sind alle glücklich und ich lasse sie feiern.
Zuhause kommt mir ein Bild aus Biel in die Finger, mit den Holzbänken auf der Gurzelen. Ich hatte es im Februar 2009 gemacht, auf meiner Reise durch die Stadien der Nati B. Ein älterer Herr führt seine Begleiterin zum ersten Mal aus zum Fussball und schwärmt von früher: „Lue Trudi, dert bini gsesse als Bueb vor füfzg Jaar!“ Viele Habitués sind da, die meisten über fünfzig und einer sagt: „Nei, 1976 sisi abgschtige.“ – Es gibt kaum Jugendliche auf den Rängen, aber die zweigeteilte Gegentribüne – mit Sitz- und Stehplätzen – ist überdacht.