Die Schweiz hat ein neues Extremismusproblem

Sie sind da, und sie sind viele: Jedes Wochenende ziehen sie sich in irgendwelchen Stehplatzsektoren die Kapuzen über die Augen, die Sturmhauben über den Kopf oder die Schals ins Gesicht. Und dann tun sie es: Sie zünden verbotenes Feuerwerk. Bis jetzt wurden sie als Chaoten, Pyro-Trottel, Hooligans, Vandalen, sogenannte Fans oder Krawallanten geführt. Doch nun ist, endlich, die Armee eingeschritten, wie die WOZ heute berichtet. Und die Armee sagt: Diese Menschen sind Extremisten.

Wer in einem Fussballstadion vermummt eine Fackel zündet, ist ab jetzt dienstuntauglich, so der Entscheid des VBS. Da wird sich im ersten Moment mancher freuen. Im zweiten vielleicht nicht mehr. Es ist nicht davon auszugehen, dass als Extremisten aus der Armee Ausgeschlossene fortan unbehelligt ihr Leben weiterführen können. Ihre Namen und ihre “persönlichen Verhältnisse” werden auf Jahre in verschiedenen Dateien hinterlegt und einsehbar sein: bei der Armee, in Polis, in Hoogan – und in Toolbox.

In Niedersachsen wurde gestern über eine geheime, gesetzeswidrige Fan-Datenbank berichtet, für die sich die Polizeidirektion Hannover nun vor Gericht verantworten muss. In der Schweiz war der Verein Referendum BWIS bis jetzt der Einzige, der auf Toolbox hingewiesen hat: auf eine Online-Datenbank mit hochsensiblen Daten, beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten nicht gemeldet, auf die nicht nur alle Polizeistellen, sondern auch Sportfunktionäre aller Profivereine Zugriff haben. Von den hehren Datenschutzbestimmungen, mit denen uns damals u.a. die Hoogan-Datenbank schmackhaft gemacht wurde, keine Spur mehr.

Was die Zürcher Polizei mit den Hunderten von Registrierten und Fotografierten vom letzten Zürcher Meisterschaftsderby macht, weiss niemand. Klar ist nur: Es wird gesammelt. Als Rechtfertigung diktiert Polizeikommandant Blumer der NZZ in abenteuerlicher Logik ins Mikrofon:

Es gab massiv mehr Böller, das ist nachweisbar. Wir führen aber keine Statistik.

Warum auch Statistiken führen, wenn es ohnehin niemand genauer wissen will? Sammeln heisst es, ungebremst sammeln. Vorgestern Basel, gestern GC, heute FCZ. Bis man die ganze neue Schweizer Extremistenszene, die sich da auf den Stehrängen tummelt, erfasst hat. Wir kennen das, es ist noch nicht lange her. Nur musste es damals heimlich geschehen. Und die, die damals gesammelt wurden, sammeln heute selber.

Nachtrag zu Niedersachsen vom 27. März: Polizei muss Daten löschen.

This entry was posted in Fans, Medien, Politik, Polizei, Pyro. Bookmark the permalink.