Fussball im Film „La ville blanche“

33852Wieder einmal Alain Tanners „La ville blanche“ aus dem Jahr 1983 angesehen. – Wunderbar die Zeit, als in zweistündigen Filmen fast nichts passierte: Der Schweizer Seemann Paul, Mechaniker auf einem Hochseeschiff, verliert sich in Lissabon und kehrt nicht zurück auf seinen Frachter. Stattdessen treibt er sich in der Altstadt herum und verliebt sich in eine Frau aus der Bar seiner Pension. Tönt ziemlich abgedroschen – aber die filmhistorische oder inhaltliche Bedeutung von „La ville blanche“  soll hier nicht weiter erörtert werden. Denn für Fussball-Experten ist eine Beobachtung am Rande und gegen Ende des Films  interessant: Paul – oder für Schweizer/-innen besser bekannt: der Schauspieler Bruno Ganz – streift rat- und ziellos  durch das Hafenviertel und landet in einer Kneipe mit Fernsehgerät mitten in der  WM82-Partie Italien gegen Brasilien. Als Zuschauer fragt man sich: Vorrunde, Zwischenrunde, Halbfinal? Eins ist klar: Italien wird dieses Spiel gewinnen und im Final auch Deutschland überwinden. Zum ersten Mal werden Schweizer Städte erleben, welche Begeisterung ein WM-Sieg bei den Tifosi von Altobelli, Tardelli und Rossi auslösen kann.  Nur: Das wusste zu jenem Zeitpunkt ja noch niemand. Entsprechend wach und doch entspannt verfolgen die Lissaboner in der Bar den Match.  Man fragt sich:  Schlägt das lusitanische Fussball-Herz eigentlich eher für die  sprachlichen Brüder aus Südamerika? Oder gibt es zwischen den Anhängern im Gegenteil eine ausgeprägte Rivalität? Oder ist der portugiesische Fussball-Liebhaber grundsätzlich  melancholisch und fühlt mit den Verlierern? Und war denn damals das eigene Team gar nicht oder schon nicht mehr dabei an der WM im Nachbarland? – Eindeutig und klar in seiner Zuneigung bleibt Bruno Ganz: Er schwärmt ziemlich angeheitert für Zico und nennt den Schiedsrichter einen Milchmann.  Rossi wünscht er zum Teufel. Draussen fahren Strassenbahnen und Züge vorbei und die Einheimischen beachten Bruno Ganz nicht weiter. Dieser bricht auf, dribbelt mit einer Blechdose auf dem Trottoir und landet in der nächsten Kneipe. Dort sitzen ein paar Alte an einem Tisch und spielen. Ganz ist ausser sich: „Le Brésil a perdu contre l’Italie.“ Die Alten spielen weiter, als wäre nichts passiert. – Die kleine Episode am Rande  „La ville blanche“ dauert zweieinhalb Minuten, von 1:30:55 bis 1:32:56.

 

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