Samstag in Wettswil bei Bonstetten

Den ganzen Tag muss ich an Jeff Hannemann denken. Den ganzen Tag. Jesus saves. Die restliche Zeit schwelge ich in Erinnerungen. An das Jahr 1994 zum Beispiel, als ich an einem Dienstag spät am Abend in den Zischtigsclub zappte und eine Frau reden sah, mit der ich ein paar Monate zuvor noch an einem Grümpelturnier gespielt hatte. Es ging um den FC Wettswil-Bonstetten, der gerade seine Frauenabteilung geschlossen hatte wegen: “Der Verein wird ausgenützt für das Ausleben von abnormalen Veranlagungen.” So liess sich der Vorstand damals im “Blick” zitieren. Gemeint waren die bekennenden Lesben im Billett_FCWBTeam, die andere, “normale” Spielerinnen “auf und neben dem Feld” sexuell bedrängen würden. Kein Scheiss war wahr an den Vorwürfen, aber mit dem Frauenfussball in Wettswil-Bonstetten war es vorbei.

Es ist natürlich eine Plage, wenn man als Verein so eine Geschichte hat. Jedesmal kommt die Gülle wieder hoch. Jetzt auch gerade, in diesem Moment. Abnormal so etwas. Ich möchte wieder an Jeff Hannemann denken, criminally insane. Aber da lege ich die 10 Hämmer für den Eintritt hin, passiere den Kassentisch und stehe am Feld. Am Gummifeld. Warum finde ich, dass das passt? So ein abnormaler Rasen? So eklig, dass alle Kreuzlinger Angst haben umzufallen und ich mich an kein einziges Tackling der Grünen erinnern kann in den ganzen 90 Minuten? Herr Kondé hat auch nicht getacklet. Er hat ja nie jemandem erzählt, warum er abgesagt hat damals, als ihn Köbi Kuhn aufbieten wollte für die Nati. Keiner hats verstanden. Jetzt meine ich zwischendurch zu verstehen. Also wenn ich ihm so zuschaue. Diese Absenzen. Diese souverän anmutende Spieleröffnung in die Füsse des gegnerischen Stürmers. Vielleicht hat er das einfach immer gewusst. Dass sich die Leute ein bisschen in ihm täuschen, weil er so elegant wirkt.

Vor dem Klubhaus mache ich Frieden mit dem FCWB und wünsche ihn auch Jeff Hannemann, Hell awaits auf dich, mein Spatz. Der FCWB schenkt Baarer Bier aus. Ein flotter Zug. Abnormal flott. Es gibt auch etwa 15 verschiedene Drinks, was ich so in der 1. Liga CLASSIC auch noch nie gesehen und gesoffen habe: Gin, Rum, Spritz und all das Gift, das man sich eigentlich nicht schon samstags um fünf geben sollte. “Das Fussballspiel ist ein Sport und dazu gehört aus hygienischen Gründen auch das Duschen nach dem Training und Spiel”, hält der FCWB in seinem Verhaltenskodex fest. Ja gut, aber nach FCK_FCWBfünf grossen Baarer und drei Cuba libre kann es schon passieren, dass einer mal in den Stülpen heim läuft, nicht wahr.

Null zu zwei geht der FCK unter, und das leider furchtbar verdient. Jetzt wird es eng am Hafen, der Strich winkt neuerdings von oben. Marc Hodel muss sich das nicht mehr mitansehen, er hat eine Woche zuvor das sinkende Schiff verlassen mit der doch recht avantgardistischen Begründung, er sei als Trainer “wahrscheinlich zu ehrgeizig” gewesen. Marc Hodel, zu ehrgeizig. Das müsste man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, gärte ebenda nicht längst eine dicke Schicht Baarer hell vor sich hin. So geht es halt wieder heim. Diesmal nicht über, sondern durch den Üetliberg. Wettswil-Sihlcity, so fährt der Bus, und auch das passt, wie der Kunstrasen. Noch ein Biss Wurst und ein Bäuerchen für Jeff Hannemann. Piece by Piece der 2. Interregio entgegen, sie wartet South of heaven.

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