Die andere Perspektive

Ich hoffe mal, dass man Wege findet, dass alle Interessierten ins Stadion gehen können. Dass wir nicht ein Opern- oder Operettenpublikum bekommen. Wenn es irgendwann nur noch Sitzplätze gibt, wenn es irgendwann nur noch teurere Preise gibt, dann schliesst man bestimmte Leute der Gesellschaft von Fussballspielen aus, und ich persönlich fände das schade.

Wer spricht so? Eine Soziologin? Ein Fanforscher? Eine Fanarbeiterin? Ein Vereinspräsident? Ein Ultra?

Wer hier implizit die Verhältnisse in Englands obersten Ligen als Negativszenario für den (deutschen) Fussball entwirft, ist Polizist. Genauer: Einsatzleiter der Polizeiinspektion Köln West, der sich Wochenende für Wochenende mit Fussball, Fans und den entsprechenden Begleiterscheinungen auseinanderzusetzen hat.

Ein Polizist, der so spricht, eignet sich schlecht als klassisches Feindbild. Und so ist die ganze ZDF-Doku aufgebaut, die gestern Mittwoch unter dem irreführenden Titel “Dritte Halbzeit Randale” ausgestrahlt wurde. Irreführend deshalb, weil der Beitrag erklärt, dass die Probleme des deutschen Profifussballs mit einem Teil seiner Zuschauer eben nicht nur in Ausschreitungen und Gewalt, sondern zu einem wichtigen Teil auch in den unterschiedlichen Ansprüchen begründet liegen, die die verschiedenen Akteure an den bezahlten Fussball von heute stellen.

Als vertiefenden Begleittext zum Thema sei hier noch einmal und dringend Nicole Selmers Titelgeschichte im aktuellen ballesterer-Magazin (in der Schweiz an den Bahnhofskiosken erhältlich) empfohlen, die sämtliche relevanten Aspekte der Diskussion miteinschliesst und deutlich macht, warum einfache Rezepte zum Scheitern verurteilt sind. Lesen Sie dann unbedingt auch das Interview von Selmer mit einem ehemaligen Polizisten und heutigen Polizeiforscher. Und dann abonnieren Sie den ballesterer. Es lohnt sich. Und (Nachtrag) was sich in diesem Zusammenhang auch lohnt: Thomas Gander, Präsident Fanarbeit Schweiz, im aktuellen Zwölf. Das werden Sie ja aber hoffentlich schon abonniert haben.

This entry was posted in Deutschland, Fans, Medien, Politik, Polizei, Pyro. Bookmark the permalink.

2 Responses to Die andere Perspektive

  1. koerschgen says:

    …was aber eine der wenigen Aussagen dieses Beitrags darstellt. Man merkt, wie schwer sich ARD/ZDF tun, einen stetigen O-Ton außen vor zu lassen, wenn es schon mit “Noch nie gab es so viele Krawalle wie in der letzten Bundesligasaison” losgeht.

  2. admin says:

    Da hast du recht, koerschgen (ich nehme an, du meinst die Offstimme, nicht den O-Ton). Ist wie mit dem Titel: passt eigentlich überhaupt nicht zum Gezeigten. Sieht ganz so aus, als habe der Journalist hier eine wirklich ordentliche Arbeit abgeliefert, die Redaktion das alles dann aber für zu wenig reisserisch befunden und bei der Produktion des Beitrags deshalb entsprechend nachgeholfen. Ich sehe den Wert dieser Reportage trotzdem, weil fast alle wichtigen Akteure zu Wort kommen und dabei keinen Mist erzählen, sondern ihren Standpunkt mehr oder weniger plausibel darlegen.

Comments are closed.