“Mit der Anmutung eines Lynchmobs”

Er nannte sie “Anonymfeiglinge der Sorte alle gegen einen”. 2003 berichtete Wiglaf Droste im Band “Ansichtssache Fussballplatz” von einem Spiel seines BVB gegen Bayern München. Für die Fans der Gelb-Schwarzen und den Empfang, den sie Oliver Kahn bereiteten, fand Droste diese Worte: “Das kaugummimahlende Mehr-leisten!-Monstrum Kahn ist mir nicht sympathisch, aber darauf kommt es nicht an: Gegen das, was sich mit der Anmutung eines Lynchmobs formiert, muss man alles und jeden verteidigen.”

Gerne würde ich Drostes Stimme vernehmen zur Geschichte um Herrn Lerch, die sich in Bern abspielt und die der WOZ gerade eine ganze Seite wert war. Herr Lerch wollte vor der Berner Reitschule die Polizeistunde durchsetzen. Und wird nun dafür gewaschen. Shitstorm nennt sich das heute, wenn alle gegen einen und voll auf den Mann. Der Herr Lerch, schreibt die WOZ, sei fix und fertig. Erstaunlich. Ganz erstaunlich.

This entry was posted in Bier, Medien, Politik. Bookmark the permalink.

5 Responses to “Mit der Anmutung eines Lynchmobs”

  1. Capitão says:

    Man kann Kahn nicht mit Lerch vergleichen. Kahn ist zwar eine ruppige Person, aber doch unfreiwillig (durch seinen sportlichen Erfolg) in die Öffentlichkeit geraten, anders bei Lerch, der sich zur Wahl gestellt und die Öffentlichkeit gesucht hat.
    Wenn man sich dann als Hardliner profilieren will oder einfach nur unsensibel gibt (Zitat: „Ich setze das Gastgewerbegesetz um. Basta.“), sollte man auch die Reaktionen ertragen (oder andernfalls zurücktreten). Natürlich kann man den meist jugendlichen Kritikern Unsachlichkeit vorwerfen, aber das haben sie nicht zuletzt von Politik und Medien gelernt.
    Es ist sicher unschön, wenn auf den Mann gespielt wird, aber Lerch hat ein Amt angestrebt, bei dem vorhersehbar war, dass er sich damit keine Freunde macht.

  2. admin says:

    Das sind genau die Fragen, die mich interessieren, Capitao: Ab wann und in welcher Funktion hat man zu ertragen, was andere mit einem machen? Muss eine Kulturschaffende, die sich freiwillig, öffentlich und kritisch mit der Schweiz auseinandersetzt, damit leben, wenn sie auf der Titelseite der Weltwoche mit Fahndungsfoto als Landesverräterin erscheint? Und der Gemeinderat im Dorf, der sich hat aufstellen und wählen lassen, weil es sonst niemand mehr machen will: Hat der auch einfach die Öffentlichkeit gesucht? Wer entscheidet, wann eine Verfehlung gross genug ist für Diffamierung?

  3. Capitão says:

    Wo die Grenzen liegen, entscheidet schlussendlich ein Richter. Beleidigung und üble Nachrede sind ja immer noch strafbar.
    Der Slogan ‘Figg di Herr Lerch’ halte ich eher für eine stark vereinfachte, politische Aussage, die weniger die Person als das Amt von Lerch anspricht. In meinen Augen ist er deshalb keine Beleidigung (allerdings bin ich kein Jurist).
    Etwas anderes ist die Frage nach dem politischen Stil und dem Umgang miteinander. Und gerade da kann man den Reitschul-Aktivisten keinen Vorwurf machen, schliesslich werden sie seit Jahrzehnten von gestandenen Politikern als Drögeler, Chaoten und Sozialschmarotzer diffamiert. Insofern kann man das aggressive Auftreten auch als Retourkutsche verstehen (auch wenn es mit Lerch von der SP vielleicht den falschen trifft).

  4. Sinkender Stern Belgrad says:

    Auge um Auge ist ein origineller Ansatz

  5. Capitão says:

    @Sinkender Stern Belgrad: Im Gegensatz zu gestandenen Politikern erwarte ich von Jugendlichen keinen besonderen Weitblick.

Comments are closed.