Es wurde ja wieder viel fotografiert, geschrieben und online gestellt in den letzten Tagen. Es ist eine Freude. So kommt man gern aus den Ferien heim, wo ein altertümlicher Glaskasten am Verkehrskreisel die einzige, schöne Fussballreminiszenz war. Irgendwo lag noch die NZZamSonntag von vorvorletzter Woche: ein grosses Gruppenfoto glücklicher Genfer Gesellen, und mitten drin ein fast zugbereiter Joint. What a Schnappschuss! Der junge Mann im schwarzen Tanktop wird sich gefreut haben. Man erkennt ihn sozusagen überhaupt nicht. Seine einzige Hoffnung: dass in seinem Umfeld niemand die NZZamSonntag liest. Immerhin eine begründete, diese Hoffnung.
Joints wurden ja vom Hörensagen und -lesen auch in München ein paar gedreht – und fotografiert. Aber mit weniger schmeichelhaft prominenter Wirkung als in Genf. 20minuten macht aus den Kiffern unter den 49 in München Verhafteten Gewalttäter, indem das Blatt – oder was ist es eigentlich? Ein Blatt? Ein Medium? Eine Blattform? Eine Plattform? Eine Strafe Gottes? – den Beitrag zu den Zürchern im Freistaat Bayern unter “Münchner Polizei verhaftet 49 FCZ-Hooligans” verlinkt. Im Beitragstitel selber werden aus den Hooligans dann Fans, aber hey: geschenkt! Wer macht da online heute noch einen Unterschied?
Auch wie immer fantastisch viel Recherche-Aufwand betreibend: Walders Kinder vom Newsroom an der Dufourstrasse. Nicht, dass es reichte, die München-Geschichte mit irgendeinem, wirklich einfach irgendeinem Bild maxender Hooligan-Ultra-Fans zu bestücken, nein, es muss dann ja auch grad eines sein, das mehrfach verwendet wird. Hier bei knappdaneben.net diente es vor 16 Monaten immerhin der Lancierung der Serie “Interessante Bildwahl”, wofür wir natürlich danke sagen. Was hätte man sonst zu tun, in all der freien Zeit? Man käme noch auf den Gedanken, ein Buch zu lesen. Oder die NZZ.
Aber eben, die NZZ. Noch nie wahnsinnig viel in neue Medien investiert. Ausser an der VR-Sitzung. Die werde, so heisst es, hinter iPads abgehalten. Für die Sache mit den 49 Zürchern in München hat man sich beim SI-Sportticker bedient. Immer ganz gefährlich, die SI. Brandgefährlich. Immer für abenteuerliche Ausflüge in die Welt der Fan-Gewalt berüchtigt. Diesmal haben sie der NZZ ein ganz besonderes Bild untergejubelt: eines aus der Bundesliga, irgendeine Rauferei bei Tageslicht zwischen irgendwelchen so genannten Ultrahooligans und der Polente. Die SI macht daraus im Handumdrehen Bayern-FCZ – und NZZ-online frisst’s. Immerhin, wenn auch nur einen Steinwurf entfernt: Die Falken- ist nicht die Dufourstrasse. Ofenbar darauf hingewiesen, hat die Online-Redaktion das Bild heute entfernt. Jetzt steht dort im Titel nur noch:
49 Zürcher Ultras vorübergehend festgenommen
Und im Lead, gleich anschliessend:
Die Münchner Polizei nimmt Hooligans fest
Aber eben: In Deckung vor der SI – wenn sie schiesst, dann mit scharf!
Soll es das schon gewesen sein? Nein, meine Damen und Herren! Noch ist die Welt nicht verloren. Noch schafft es ein letzter Sonnenstrahl über den Horizont. Er heisst diesmal Beobachter. Und interviewt Rechtsanwältin Manuela Schiller zur präventiven Verhaftung 32 wie es heisst gewaltbereiter Zürcher vor dem Rückspiel gegen Lüttich. Erinnert sich noch jemand? Läuft unter ferner liefen. Lief früher unter rechtsstaatlich bedenklich. Läuft heute im Betriebssystem KKS 2.0
Ich kann mit Gewalt und Zerstörung nichts anfangen. So wenig wie mit der Weltanschauung vieler meiner Klienten. Aber es gibt rechtsstaatliche Grundsätze wie die Unschuldsvermutung. Die kann man nicht über Bord werfen, nur weil uns gewisse Leute nicht passen. Zudem hätte es andere Möglichkeiten gegeben, drohende Ausschreitungen zu verhindern.
Das unter anderem sagt Frau Schiller. Und noch mehr.
noch anzumerken ist, dass es nie 49 wahren sondern 37.
aber die agenturmeldung lautete: 37 fesgenommen, davon 12 am eingang
nach angesprochener, sorgfältiger recherche ergibt dies nun: 49 insgesammt…
aber eben, macht den braten auch nicht mer feiss…
http://www.tagblatt.ch/nachrichten/sport/49-FCZ-Ultras-festgenommen;art158124,2634173
sorry, doppelpost, aber interessante bildwahl…
dieses bild ist sicher nicht aus münchen 😉
Danke, Dominik für die Präzisierung und RedStar für den Link. Das Tagblatt wurde ebenfalls von der SI beliefert. Es ist jenes Bild, das die NZZ entfernt hat.
Ein erfrischendes Interview, das mit dem Beobachter vielleicht sogar einmal Leute erreicht, die nicht von sich aus differenzieren können. Einzig der provokative Satz “Viele Fussballfans sind keine Unschuldslämmer.” Stösst mir etwas sauer auf. Das ist doch einfach nur Blödsinn.
Einfach der Vollständigkeit halber; besagtes Bild ist aus der letzten Saison vom Spiel Eintracht Frankfurt – FC Köln, Eintracht-Fans beim Platzsturm.