Dribbeln, passen, schiessen

Wegen der Titelgeschichte – “Ruhe bitte! Wie Ultras die Stimmung in den deutschen Fankurven kaputt machen” – hab ich mir die aktuelle Ausgabe des 11freunde-Magazins gekauft (dazu aber vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt mehr). Der Rest des Heftes bot auch so einiges, vorausgesetzt, man kennt die 11freunde und hat seine Erwartungen an das Heft im Laufe der Jahre entsprechend justiert. Wie dem auch sei, ich freute mich sehr, auf S. 56 ein ganzseitiges Foto eines meiner grossen All-Time-Idole zu sehen, Matthew Le Tissier.

Im Winter 1996 habe ich die Reise per Zug und Fähre von Stretford-upon-Avon nach Zürich für fünf Stunden unterbrochen, nur um ihn wenigstens einmal im Leben gesehen zu haben. Le Tissiers Southampton war bei Tottenham zu Gast. Es war ein schrecklich langweiliges Spiel zweier gegen oben und unten ambitionsloser Mannschaften, aber irgendwann in der zweiten Halbzeit nahm Le Tissier im Mittelfeld einen hohen Ball volley mit dem Absatz und lancierte so mit einem 40-Meter-Steilpass einen Mitspieler, und dann war mir der Rest egal. Ich hatte es gesehen, ich hatte ihn gesehen.

Jetzt widmen sie ihm in 11freunde also zwei Seiten, eine Bild, eine Text. Aber es ist nicht die Art Andenken, die ich mir gewünscht hätte. “Je nach Situation entschied Le Tissier, ob er eines seiner furiosen Dribblings startete, mit einem Pass das Spiel verlagerte oder direkt den Abschluss suchte”, wird sein Spiel umschrieben. Na gut. Gilt das nicht – “furios” mal ausgeklammert – für so ziemlich jede Spielerin und jeden Spieler auf Erden, einschliesslich meiner Wenigkeit? Seit ich mich erinnern kann, stelle ich mir bei Ballbesitz die Frage: Dribbling, Pass oder Schuss? Deswegen hat aber noch niemand über mich geschrieben. Und auch völlig zurecht nicht.

Es ist diese bekannte, leidige Geschichte mit den Herzensangelegenheiten: Liest man über etwas, das man gut kennt und gerne hat, macht es irgendwie traurig, wenns dann, wie soll ich sagen, nicht so schön ist. Oder nicht ganz richtig. Es gibt dann den Reflex des Leserbriefes, in dem man sein Leiden an der richtigen Adresse deponieren kann, aber wirkliche Linderung verspricht das ja in den seltensten Fällen. Ach herrje. Ich will auch den 11freunden nicht zu nahe treten, immerhin haben sie uns im Oktober zum Blog des Monats gekürt, aber vielleicht einfach mit der Bitte schliessen, beim nächsten Mal, wenn dann vielleicht Bruno Conti dran ist oder Alain Giresse, daran zu denken, dass es da draussen welche gibt, die ihr halbes Leben, oder zumindest ihre halbe Jugend… Aber eben. Es ist nur Fussball.

httpv://www.youtube.com/watch?v=FSsdfe4Z69g

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One Response to Dribbeln, passen, schiessen

  1. fischbach says:

    16 Jahre und 443 Ligaspiele lang bei Southampon – die Vereinstreue bleibt bei Le Tissier neben seinen Toren auch noch in Erinnerung.

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