„Tourne, tourne, ma tourne nom de Dieu!“

Das Flirren am Horizont 001Was tun – mit Sonnenbrand und ohne Fussball? Zum Beispiel in einer kühlen Badewanne Roland Butis bezauberndes Buch “Das Flirren am Horizont“ lesen: Ein 13-jähriger Bauern-Junge berichtet vom Hitze-Sommer 1976, in dem seine Welt im ländlichen Waadtland aus den Fugen gerät. Der Familienvater sucht mit einer neuen Hühnerzucht  Anschluss an die industrielle Landwirtschaft und scheitert wegen der Dürre. Die Mutter quartiert eine geheimnisvolle Fremde auf dem Hof ein, die sich als ihre Geliebte herausstellt. Buti erzählt in eindrücklichen Bildern vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel der Schweiz; “Das Flirren am Horizont“ erinnert auch an den Film „Les petites fugues“ („Kleine Fluchten“ in der deutschen Übersetzung) und die kleinen Ausbruchsversuche von Pipe dem Knecht, der mit seinem neuen Moped an ein Motocross-Rennen fährt und von einem Flug rund um das Matterhorn träumt. Wunderbare Unterhaltung – am besten mit Wassermelone im verdunkelten Wohnzimmer.

Das alles hat mit Sport – ausser den Live-Szenen aus Roggenburg! – fast nichts, mit Fussball gar nichts zu tun. – Stimmt, aber in der ganzen Symbolik vielleicht eben doch mehr als man denkt: Denn „Das Flirren am Horizont“ und „Kleinen Fluchten“ sind treffende Kommentare für das aktuelle Fussballgeschehen beim FC Wil, wo die Verantwortlichen die Aktienmehrheit des Vereins an türkische Investoren abtreten wollen. – Ein paar Fragen stellen sich dabei dem Schweizer Fussball-Liebhaber: Wie können Schweizer Klein-Vereine im finanziell überhitzten Spitzen-Fussball überleben? Warum werfen sich immer wieder verzweifelte Klub-Präsidenten selbstlosen Rettern in die Arme? Was kann der gewöhnliche Anhänger gegen den Grössenwahn in seinem Fussball-Klub imagestun? – Voller tiefgründiger Symbolik erscheint uns in diesem Zusammenhang auch die Filmszene ganz am Schluss des Film-Trailers von „Les petites fugues“ mit dem verzweifelten Hilferuf des italienischen Saisonnier Luigi, der Pipe auf dem Moped vor der unberechenbaren Kurve warnen möchte: „Tourne, tourne, ma tourne nom de Dieu!“ Pipe hört längst nichts mehr und rast geradeaus ins Verderben.

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