Buch vor Fussball: Grandhotel

Grandhotel 001Fleischmann lebt und arbeitet im Hotel auf dem Ještěd, dem Hügel über Liberec. Er schwärmt für Wolken und eine Wetterfee aus dem Fernsehen, Fussball lässt ihn kalt. – Jégr führt das „Grandhotel“, ist glühender Anhänger von Slovan Liberec und Ersatz-Vater von Fleischmann. – Früher lebte Fleischmann mit seinen Eltern in einem Plattenbau, der wie ein zerschrammter Eishockeyschläger aussah. Dann rammte ein sowjetischer Laster das neue Auto seiner Eltern, seither ist Fleischmann bei Jégr und kommt nicht mehr weg aus Liberec. „Jégr wollte, dass ich du zu ihm sage, wir waren ja entfernte Cousins, aber ich konnte das nicht. Man kann doch nicht jemand duzen, der mit einem Bleistift im Ohr stochert und dann an dem Stift riecht…Er schleppte mich mit zum Fussball, zwang mich Würstchen zu essen, nach denen mir kotzübel wurde, vor dem Gott der Lederkugel auf die Knie zu fallen und zu schreien: Hau die Scheisse weg! Slavia-Jude, und ein Sieg für Slovan Liberec, das ist hier Naturgesetz!“ – Viele werden jetzt denken, auf Literatur über dumpfe Hooligans aus dem Osten hätten sie keine Lust. Aber „Grandhotel“ ist viel mehr, es ist ein poetisches, zugleich trauriges und fröhliches Buch und eine Hymne auf Liberec, den Pisspott Europas. – Jaroslav Rudiš erzählt auf leichte, bisweilen derbe, witzige und doch ernsthafte Art von lauter durchgeknallten Menschen aus dem einst deutschen Reichenberg und später tschechischen Liberec am Rand des Eisernen Vorhangs: Denn um Fussball geht’s darin nicht wirklich, sondern um andere grosse Lebensaufgaben: Fleischmann muss dem nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebenen deutschen Franz helfen, die Asche seines verstorbenen Jugendfreundes Rudi aus einer Kaffeedose im jenem Haus zu verstreuen, in dem dieser einst mitten in Liberec gelebt hat. Heute steht dort allerdings ein Kaufhaus. – Und dann kämpft Fleischmann jahrelang erfolglos darum, Liberec zu verlassen. Die Stadt, die gefangen ist von Bergen und Vergangenheit, umzingelt von Zeit und Angst.“ Schliesslich schafft er es – dank Jégrs vielen Fussballtrikots und einer Anleitung zum Bau eines Heissluftballons. – Tipp für die nächsten Wochenende: Bleibt zuhause! „Grandhotel“ lesen ist besser als Schnee-Fussball schauen. Wer es doch nicht lassen kann: Buch einpacken, Nachtzug fahren! Am Samstag, 21. Februar, 17.00 Uhr spielt Slovan Liberec im ersten Spiel der Rückrunde zu Hause gegen Slavia!

This entry was posted in Bücher, einst, Wurst. Bookmark the permalink.

One Response to Buch vor Fussball: Grandhotel

  1. admin says:

    “Nachtzug nach Liberec” – das wird ein Bestseller

Comments are closed.