Ein Titel für Frank Sidebottom

Schade, hat er das nicht mehr erlebt. Vor zwei Jahren starb der englische Musiker und Komiker Chris Sievey, dessen Alter Ego Frank Sidebottom für viele Jahre mein liebster Spassvogel war. Frank Sidebottom, Biedermann mit Fiberglasskopf, war ein Herr des Showbizz, der seine immense Popularität aber vor seiner Mutter verheimlichen musste. Frank zur Seite stand Little Frank, sein kleines Pendant aus Karton, das ihm regelmässig den Spiegel vorhielt und dafür vom grossen Frank gnadenlos fertiggemacht wurde. Neben Kylie Minogue und Freddie Mercury, den er stets “Merkiuuri” nannte, galt Franks Bewunderung in erster Linie dem Fussball. Und dort Manchester City.

Ich war im Stadion, als Manchester City gegen QPR spielte. Der 17. gegen den 12. der Tabelle, am 11. September 1993. 24’442 Leute wollten das Spiel an der alten Maine Road sehen , 24’442 und Mario und Whitey und ich. Whitey hatte die Tickets besorgt, und er war es auch gewesen, der mich drei Jahre zuvor in die Welt Frank Sidebottoms eingeführt hatte. Frank und ich wurden danach fast Freunde. Aber nur fast. Immerhin reichte es zu einer Postkarte aus seinem sagenumwobenen Wohnort: “Weather here in Timperley is pretty bobbins but the 30 mile walk to the beach is a bit much. Best regards, Frank Sidebottom.”

Wir sassen in einer der vordersten Reihen. Es spielten 8 Engländer, 2 Iren und 1 Holländer gegen 9 Engländer und 2 Waliser, und den Männern zuzuschauen kostete 10 Pfund. Ich habe das Spiel – es endete 3:0 für die City – als seltsam uninspiriert in Erinnerung und Ray Wilkins’ Haarpracht als im Verschwinden begriffen. Was sicher ist: Der Höhepunkt war die Pause. “Can’t believe it, it’s Frank Sidebottom!”, schrie plötzlich Whitey, und schon brandete ein Aufruhr durch die Maine Road, neben dem der Millwall-Roar ein zartes Hauchen ist. Frank Sidebottom! Im City-Dress tänzelte er auf den Rasen, der Kopf schwer wie Blei, grüsste wild auf alle Seiten, holte sich den Jubel und Applaus und setzte dann zu einem atemberaubenden, durch nichts und niemanden beeinträchtigten Sololauf über das ganze Feld an, um dann alleine vor Citys Maskottchen zu stehen, das das Tor hütete. And Frank Sidebottom scoooooores!

Wenn ich mir vorstelle, was die Gestalt aus Timperley, die aus jedem britischen Rock-Knüller eine Schunkel-Katastrophe machte, vorgeführt hätte am Sonntagabend, so wird mir ganz elend beim wiederholten Betrachten des Herrn Gallagher in seiner Loge. Frank Sidebottom hätte Little Frank vermutlich den Kopf dreimal statt nur einmal nach hinten gefaltet und mit seinem noch kleineren Pendant Amoeba Frank, der zu klein ist um sichtbar zu sein, weitergefeiert. Ich hab mich für City gefreut wegen Frank und weil ich damals beeindruckt war von den Leuten, die da ruhig und zu Fuss zum Stadion gingen, scheinbar in Erwartung von nichts, ein bisschen das Spiel verfolgten und bei den Toren lachten, aber dann richtig ausser sich waren, als Pause war. Irgendeiner von ihnen wird auch am Sonntag dabei gewesen sein. Vermutlich waren es sogar die meisten. Es wäre ihnen zu gönnen.

Nachtrag vom 17. Mai 2012: Hier ein taufrischer Beitrag des Guardian zum Plattenladen Alan’s in Wigan, schon früh ein Ort der Huldigung an Frank Sidebottom. Bei Alan’s habe ich Whitey kennen gelernt. Wie damals sitzt er auch diesmal hinter der Kasse. Zwei Häuser neben Alan’s steht der Coiffeursalon, in dem Limahl seine Lehre gemacht hat.

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