Kunstkartenkritik

1957 wurde in Rom das Stadion Flaminio erbaut, nach Plänen des Architekten Pier Luigi Nervi (s. auch Stadio Artemio Franchi in Florenz) und seines Sohnes Antonio. 1959 offiziell eröffnet mit einem Spiel von Italiens Amateur-Nati gegen jene von Holland, besticht das Flaminio durch eine schlichte, moderne Eleganz. Das habe ich geklaut. Die Beschreibung stammt aus dem Buch “Stadi d’Italia” von Tummers und D’Eletto. Aber ich finde, sie haben recht. Von den 4 Sporthallen und dem Schwimmbad, die die Nervis noch unter die Haupttribüne gepackt haben, merkt man zum Beispiel nichts.

Das Flaminio hat vor allem eine Geschichte als Rugby-Nationalstadion und als Heimat der SS Lazio zu Serie-B-Zeiten. Es gilt in der Fülle architektonisch hochwertiger italienischer Sportbauten aber als Aushängeschild, zumal ohne den Makel faschistischer Sportförderung im Betonfundament. Das können ja nicht alle italienischen Stadien von sich sagen. Auch Livornos Oval zum Beispiel war ursprünglich nach Mussolinis Tochter benannt. Aber darum soll es heute nicht gehen. Sondern um zwei der zahlreichen Postkarten, die vom Flaminio existieren.

Neulich kam ich in den Besitz einer farbigen, die exakt aus derselben Position aufgenommen ist wie die schwarz-weisse, die ich schon länger im Ordner habe. Während auf der älteren, farblosen Karte Nervis Werk unbefleckt zur Geltung kommt – vom sanften Schwung der Gegentribüne über die eleganten, feinen Träger darunter zum fast papieren wirkenden Dach der Haupttribüne – zieht bei der farbigen Version augenblicklich die Feldmarkierung die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Es ist davon auszugehen, dass der Rasen des Flaminio zum Zeitpunkt der Aufnahme unmarkiert und sommerlich trocken, also braungrün war. Das erschien den “Edizioni OTO Roma” aber offenbar zu unschön, weshalb sie eine Kartenkoloriererin oder einen Kartenkolorierer beauftragten, aus dem tristen Rechteck ein sattes, an Fussball gemahnendes Grün zu machen. Viel Berufsethos hat die oder der Betreffende dann aber nicht an den Tag gelegt, wie insbesondere die völlig aus dem Winkel geratene und auch nur zur Hälfte gezogene Grundlinie auf der rechten Feldseite beweist. Aber auch der angedeutete Strafraum linkerseits verdient Beachtung, genau wie die Tatsache, dass die Ausführenden einerseits eine beispiellose Nachlässigkeit an den Tag gelegt haben, sich dann aber doch nicht zu schade waren, die Torumrandung links ebenfalls gelb nachzuzeichnen. Ende.

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