Montag in Linz

Es war ein Versuch wert: Morgens um acht auf den Railjet, um Mitternacht zurück, morgens um acht wieder zuhause. 24 Stunden für das dritte Linzer Törtchen des Tags Derby der Saison. Diesmal wieder ein Heimspiel der Blau-Weissen. Oder des SKV. Man kommt ja als Aussenstehender nicht draus mit den Klubnamen in Österreich.

Im selben Zug sass Paul Breitner. Ich bin zumindest zu 93% sicher, dass er es war. Er ist mir aber erst kurz vor Linz aufgefallen, sodass ich ihn nicht mehr fragen konnte, was er in Österreich treibt, ob vielleicht eine nächste Schande von Gijòn ansteht oder was sonst so in Planung ist. Mir blieben nur noch 2-3 Minuten bis zum Aussteigen, während denen ich ihn anstarrte, bis er zurückstarrte und lächelte. Dies, neben der Tatsache, dass kaum zwei Leute auf dieser Welt eine solche Nase mit einer solchen Gesichtsbehaarung kombinieren, bringen mich zu diesen 93%.

In Linz fing sofort der Reigen der gesunden Verpflegung an: zuerst ein Leberkäs mit Pfeffer im Semmel und ein kleines Puntigamer beim Leberkäs-Pepi, neben dem Wurst-Hans offenbar DIE Verpflegungsinstitution in Linz. “I will koa Pizza oder Spaghetti, I will a Lebakäs vom Pepi”, heisst sein Slogan. Später im Stadion dann trotz eindringlichen Abratens seitens der Einheimischen irgendeine Scharfe mit Senf, die ihren Zweck erfüllte, und noch später am Bahnhof im Imbiss ein Käsekrainer. Das war dann die Fettration für 2011. Könnte man meinen. Müsste man denken. Kurz darauf fuhr ja dann der Nachtzug, im 6er Abteil wurden aber von den drei bereits Anwesenden zu meiner völligen Überraschung keine Freudentänze vollführt, als diese schwankend-dampfende Mischung aus Rauch, Hopfen und Wurstwaren sich an der Schiebetür zu schaffen machte.

Rauch! “Wie ist denn das in Österreich mit dem Rauchverbot in Wirtshäusern?” “Na na”, wird man aufgeklärt. Im Prinzip, so erfahre ich, ist es wie bei uns: Raucher müssen von Nichtrauchern getrennt werden, zu deren Schutz. Umgesetzt wird das aber so, dass im Wirtshaus grundsätzlich geraucht wird, was die Schlote hergeben, und für die andern gibts irgendwo ein verstecktes Kämmerchen zum Durchatmen. Ein Anti-Fumoir sozusagen. So war das zumindest in der “Eisernen Hand”. Von dort gings per Taxi den Hügel hoch. Der Taxifahrer war ein vorsichtiger Mann. Auf die Frage, ob er Schwarz- oder Blau-Weisser sei, meinte er, weder noch, sondern immer für den Underdog. Das ging um einen Tabellenplatz gerade noch mal gut. Dann musste ich noch sagen, ob Österreich mit Marcel Koller eine Zukunft hat oder nicht, und ich sagte “schlimmer wird es wahrscheinlich nicht mit ihm”, dann stiegen wir aus.

Das Stadion, das sich die beiden Vereine seit dem Auf- bzw. Abstieg teilen, lässt sich sehen, denn sowas hat man noch nie gesehen. Oval, mit Laufbahn, aber hinter einem Tor offen. Die eine Seite wird komplett renoviert und bleibt deshalb leer. Nur an den Enden stehen ein paar blaue VIP-Schalen. Der ganze Rest des für einen kalten 2.-Liga-Montagabend Ende November doch zahlreichen Publikums (6’500) steht auf der gegenüberliegenden Seite, mit einem beträchtlichen Sicherheitsabstand zwischen den Fanlagern. Vor Spielbeginn läuft laut Attwenger. Die sind zwar von dort, aber dass ich sie mal in einem Stadion hören würde, hätte ich nun doch nicht für möglich gehalten. Dann kommen die Mannschaften, zwei sind es an diesem Abend. Es wird viel gesungen, und was mir gefällt, ist, dass es zwar Capos gibt, aber trotzdem jeder und jede Gesänge anstimmen kann. Was auch passiert. Und die Capos sind nicht einmal beleidigt. Leider kann ich mich an keinen einzigen Liedtext lückenlos erinnern. Irgendwas mit “in die Goschn’ mecht is haun” kam aber wohl vor. Wie dem auch sei: Es reichte sehr knapp nicht für den ersten Derbysieg in einem Meisterschaftsspiel seit sehr vielen Jahren. Einen nett gegebenen Elfmeter 10′ vor Schluss konnte Blau-Weiss nicht gebührend würdigen, man musste dem Gegner verteidigenderweise noch eine Steilvorlage ergrätschen, die er dann dankend verwertete. Zwei zu zwei. Sauer schien niemand wirklich zu sein. Ab in die Winterpause.

In der Bar, in der das verlinkte Attwenger-Video gedreht worden war, hörte ich mir dann noch an, wie ein zuvorkommender Zeitgenosse von seinem Besuch eines DJ-Bobo-Konzerts erzählte. “Du warst bei DJ Bobo?”, fragte ich ungläubig. “Ja, in Ulan Bator.” Auf einer Reise mit der Transsibirischen sei er dort gelandet, und die ganze Stadt sei zugepflastert gewesen mit Bobo-Plakaten, das Ereignis des Jahres, also habe er eine Karte gekauft für fünf Dollar und sei rein. Danke, Fussball. Hätte ich ohne dich davon erfahren? Nein! Wobei ich ja vom selben Erzähler vom letzten Besuch noch die Geschichte mit dem Andi-Goldberger-Express in Erinnerung habe, den er als Jugendlicher bestiegen hatte, inmitten lauter laut saufender erwachsener Landsleute, um den Skispringer in Oberstdorf oder Oberhof zu unterstützen. Vor dem Aufbrechen dann noch ein kurzer Schwatz mit einem Herren aus Wales, der noch einmal ganz genau, als Zeitzeuge, schilderte, wie das jetzt war damals, als Half Man Half Biscuit den Auftritt in einer TV-Pop-Show absagten, weil ihre Tranmere Rovers zuhause spielten. Caramba!

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4 Responses to Montag in Linz

  1. Brucki says:

    Schöne Geschichte!

    Ich nehme an (bin kein Linzer, weder blau- noch schwarz-weiß) beim angesprochenen Lied handelte es sich um “Alle LASKler samma zwider” (= sind mir zuwider”), eine Variation der Umdichtung von “Alle Menschen werden Bürder” zu “Olle Menschen samma wider”) des österreichischen Poeten Kurt Sowinetz http://www.youtube.com/watch?v=oDjbbkGVT4Q

    mit dem schönen misanthropischen Refrain zur Ode an die Freude (ich hoffe, der Dialekt ist verständlich?)
    “Olle Menschen samma z’wida, i mecht’s in de Gosch’n hau’n.
    Mir san olle Menschen z’wida, in de Gosch’n mecht’ i’s hau’n.
    Vota, Muata, Schwester, Bruada, und de gonze Packelrass’.
    Olle Menschen samma z’wida, wann i Leit’ sich, geh’r i haß.”

    hier eben LASKler statt “Menschen”

  2. admin says:

    Vielen Dank, verehrter Brucki, für diesen kulturellen Brückenschlag. Und dass Sie weder Schwarz- noch Blau-Weisser sind, dass haben wir mittlerweile, seien’s beruhigt, auch rausgefunden. Mit den besten Grüssen!

  3. Brucki says:

    Gern geschehen – man hilft, wenn man kann! Meine Vereinspräferenz kommt aus meinem Blog wohl gut heraus 🙂
    Grüße aus Wien!

  4. VV SKV says:

    olle laskler san ma zwieda
    i mechts in de goschn haun

    jürgen werner, grad und rieger
    und die ganze saubaggage,
    (die saubaggage)

    grüße aus dem wiener exil

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