Wien-Bratislava-Heidenheim

Ich muss der SBB einen Brief schreiben. Wieder einmal. So geht das nicht mit den Liegewagen, nicht mehr. Um 7.32 kommt man in Wien an. Und wann wird man geweckt? Um 6.18! Ich weiss es noch genau, weil sich die Ziffern eingefräst haben in mein Hirn, weil mein Handy-Display nämlich alles hell erleuchtete und ich geblendet wurde wie einst Melchtal, weil es noch stockdunkel war um 6.18, denn 6.18 ist mitten in der Nacht! Und dann bringen sie einem ein Frühstück, das niemand will. Früher war es klar: Willst du Frühstück, gehst du Schlafwagen. Willst du schlafen, gehst du liegen. Heute kriegen alle Frühstück, und ich bin sicher, es ist nur, um einen Grund zu haben, die Leute zu wecken. Dann wurde er noch hässig, als ich mich wieder hinlegte! “Jetzt stehen Sie bitte auch auf, ja”, fauchte er um 7, “ich muss die Betten machen.” Ja und? Das ist nicht mein Problem, singen Saalschutz völlig zurecht. Ich muss der SBB schreiben und sie fragen, warum sie und die ÖBB Leute zwingen, andere aus dem Schlaf zu reissen, weil sie sonst nicht durchkommen mit dem Abteilmachen. Das ist doch kaputt.

Wien. Ich war da auch schon einmal. Die Biber haben noch einen Rest der Stadt übrig gelassen, zum Glück. Ich trinke immer so viel Kaffee dort, man muss das tun, wegen der Kaffeekultur. Entweder man besucht Schloss Schönbrunn oder man giesst Kaffee ins sich hinein, eines von beiden muss sein in Wein, in Wien, pardon. In den Zeitungen lese ich über den Koller Marcel. Seine Anstellung hat bewirkt, dass innert Tagen sehr viele Leute aus dem Fussballumfeld eine Allergie entwickelt haben auf den Begriff “akribischer Arbeiter”. Wenn sie “akribischer Arbeiter” hören, geraten sie seit Marcel Kollers Anstellung in Atemnot und sehen Heugümper hüpfen, wo keine sind. Ist aber nicht mein Problem. Ich habe überhaupt sehr wenige Probleme in Wien, weil mir dort meistens alle Entscheidungen abgenommen werden. “Woos? Kaans mehr? A geh scheissen.” Der Wirt, dort, wo wir landen, ist grosser Fan eines traditionsreichen südeuropäischen Vereins. Und weiss auch sonst alles und hat meistens recht. “Aber Ihr seids auch nicht ganz gscheit, lassts den andern mit der Fackel hundert Meter laufen.” Jetzt will ich auch einmal etwas sagen: Wirt, he Wirt, ich kenne ein Lied deines Vereins, es heisst “Bili, Bili”, kennst du das? Der Wirt, er hat das Lokal längst geschlossen, also von innen, zückt sein i-Phone und spielt das Lied. “Wos denkst du denn?” Das i-Phone ist lädiert. Es sieht aus, als sei es schon mehrmals als Wurfgeschoss im Poljud verwendet worden. Es tönt nur noch leise. Der Wirt weiss sich zu helfen und legt es in mein Glas (leer). “Bili, Bili”, jetzt ganz laut. Der Wirt singt mit. Budvar – Bier und Resonanzkörper.

Rapid-Ried. Es ist kalt. Schöne Tore und nachher extrem scharfer Rettich. Und wieder sehr viel Missbilligung allenthalben beim Versuch, eine Runde auszulassen. So fahr ich nach Bratislava. Geht nur eine Stunde. Theoretisch. Aber kurz vor dem Ziel hält er noch eine weitere Stunde irgendwo zwischen zwei Mauern. Keine Durchsage, kein Kondukteur. Und keine Unruhe. Stoische Slowaken, stoische Wiener. Ich lese ein bisschen im neuen ballesterer. Er gefällt mir gut. Ich möchte ihn heiraten. Aber er ist nur ein Heft. Bratislava, dann doch noch! Die freie Marktwirtschaft hat in den Wirtschaften am Markt viele freie Plätze geschaffen. Für die Einheimischen ist es zu teuer. Und für Touristen vielleicht etwas seltsam. Das argentinische Restaurant heisst El Gaucho. Das spanische El Torro. Das italienische Capri. Ich gehe in eines ab vom Schuss, es heisst “Pionier” oder so. Ein grosses Glas meines Lieblingsbiers Zlaty Bazant und einen Schinkenkästoast kriege ich für 2 Euro plus sehr viele gute Tipps der Kellnerin aus Banska Bystrica. Wegen ihr schaue ich mir eine Kirche aus der Sezession an. Die Leute darin beten zu einem Gottesdienst ab Band. Also ich sehe keinen Pfarrer, nur zwei kniende Ministranten und eine Stimme, die das Vater unser betet, Lamm Gottes, all das. Ich weiss immer, wo wir sind. Eine katholische Messe funktioniert unabhängig von der Sprache. Es ist wie die italienische Coverversion von “You’ll never walk alone”. Man kennt das Lied. Bei einem Archivar finde ich noch etwas. Singles hätte er auch, ein paar, wie er sagt. Aber noch nicht zum Anschauen. Noch nicht geordnet. Beim Rausgehen sehe ich sie. Oh Gott.

Heidenheim ist ganz woanders. Peroni und ich haben einen guten Nachmittag. Aber wir fragen uns, warum das Maskottchen Paule heisst. Das müsste doch eigentlich Heidi heissen. Wir fänden uns dann auch heimischer. Erfurt gewinnt verdient mit eins zu null. Wir essen eine “Feurige” im Semmel. Zu Fuss gehts in die Stadt. Lange suchen wir nach einer Kneipe mit Sky. Eine hat’s dann. Sie heisst “Mohren”. Es ist dunkel drin. Seit 1956 hat man am Mohren nichts mehr verändert. Uns gefällt es sehr. Wir bestellen zwei, drei Bier. Und einen Teller Pommes. “Die Pommes waren sehr lecker”, finde ich, “war da Curry dran?” “Es ist Curry-Ketchup”, lächelt die Frau. Abpfiff. Abfahrt.

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