Mittwoch im Volkshaus

Im Grunde habe ich dem Metal wenig zu verdanken. Er hat mich lange Jahre vom Fussball fern gehalten. Irgendwann habe ich nicht mehr den Kicker und den Tipp auswendig gelernt, sondern das Metal Hammer. So ist eine Lücke entstanden. Zum Beispiel in der Panini-Sammlung. Mühsam musste ich mir die Alben 86 und 90 später zusammensuchen. Dafür habe ich ein paar ganz obskure Bands gesehen in jener Zeit: King Diamond, der dänische Spinner, der im Vorprogramm von Motörhead ein Plastikbuschi aus der Wiege holt und absticht. Anthrax, wo absolutes Stagedive-Verbot herrschte, weshalb ein Irrer aus dem Kanton Schwyz vom Volkshaus-Balkon auf die Bühne sprang und von dort in die Menge. Maiden in Lausanne mit Wasp als Vorband. Destruction. Overkill. Und etwa fünfmal Slayer. Und jetzt also wieder.

“Ich will gehen, aber ich gehe nicht allein”, schrieb der alte Metalfreund, der Judas-Priest-Verehrer mit Hang zu Saxon. Also gingen wir alle mit. 75 Eier kostet das heute. Aber hey: Jeder Rappen zählt – und ist es wert! Nach Megadeth, die gut, aber wie immer zu kompliziert waren, gibt es zwanzig Minuten Pause. Auf dem WC kotzt einer alles aus sich raus. Er tönt jung. An den Pissoirs stehen alte, erfahrene Metaller. Wir lachen herzhaft. Der andere würgt, als mache er es extra für uns. Sicher ein Welscher. Oder ein Obwaldner. Und gleich noch ein Wurf. Die Stimmung ist friedlich, fast anständig sind die Leute. Machen immer schön Platz, wenn einer mit Bier kommt. Das war früher auch schon so. 15 Jahre wird es her sein seit dem letzten Konzert. Und es war vermutlich auch Slayer.

Criminally insane, sowas. Tom Araya bewegt mittlerweile nicht einmal mehr sein Haupthaar. Dafür versteht man jede seiner herausgemetzgeten Zeilen. Er singt ja auch vorzugsweise von Schlächtereien, Zerstückelungen und dem langsamen Ableben. The only way to exit, is going piece by piece. Ich hatte mich wochenlang vorbereitet mit dem gesammelten Vinyl, Hell awaits (spielen sie leider nicht mehr), Reign in blood, South of heaven. Und sehr oft das etwas unterschätzte Album Diabolus in musica. Doppel-LP. Damit es noch mehr kracht. Als krache es nicht schon genug. Postmortem zusammen, I don’t wanna be rebooooorn. Was  –  für  –  ein  –  Brett. Und was kümmert uns die Dezibelgrenze? Die Debilgrenze ist ja auch längst überschritten.

Er hat aber – der Kotzende ist da die grosse Ausnahme – ein Nachwuchsproblem, der traditionelle Speed Metal. Wir fallen gar nicht auf. Es kommen irgendwie keine mehr nach. Heute wird man vermutlich eher Ultra als Metaller. Von der Frisur her auch einfacher. Trainerhosen hatten wir aber auch schon an, damals. Aber eher so die pluddrigen als die straffen von heute, die um den Knöchel so eng werden. Nun, ist es schlimm, dass Slayer die Nachwuchshörer ausgehen? Ich bin mir jetzt nicht so sicher. Wer harte Musik mag, kommt an ihnen nicht vorbei. Aber muss man harte Musik mögen? Urs Fischer findet “Careless whisper” den schönsten Lovesong. Hab ich heute gelesen. Meiner ist Jesus saves. Gleich dahinter kommt aber auch “Careless whisper”, wegen dem Saxophon-Thema.

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4 Responses to Mittwoch im Volkshaus

  1. Pauletta says:

    Hey, hey, keine Seitenhiebe gegen Welsche und Tschyffeler, die “rüefen dem Ueli” auch nicht mehr als d’Risseckler :-))

    Gruess, Pauletta

  2. dino zoff says:

    das saxophon-thema in careless whisper ist aber auch wirklich ganz grosses kino:

  3. dino zoff says:

    hmm… embedden funktioniert nicht? dann halt so:

    the sexy sax man

  4. andi says:

    der nachwuchs weicht halt auch hier eher auf die erfolgreicheren sparten und interpreten aus, es gibt ihn durchaus noch. aber wer schaut sich schon ein spiel der senioren an wenn die nette kleine von nebenan doch fürs meisterteam schwärmt? (http://blog.tagesanzeiger.ch/steilpass/index.php/1223/wie-viele-mode-fans-ertragt-der-fussball/) (der blog ist in der regel sehr wää, aber hier passt das thema halt.)

    anyway, geil wars wie eh und je, gemütlich und lecker. kult metal kult quasi.

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