Montag in Zürich

Wie immer viel los bei der Arbeit. Du, ich komm kaum aus der Bude du. Noch ein Schlückchen Wasser, und jetzt aber: Adieu mitenand. Unten fährt der Achter. Am Bürkliplatz seh ich: Es hat noch Licht, es hat noch Licht im Kongresshaus! Nichts wie ausgestiegen. Ist ja ein Katzensprung vom Bürkli zum Kongressli, oder. Und sowieso auf dem Heimweg. Und wie die noch Licht haben! Player of the year! Ballon d’or! An den Absperrgittern werden Menschen allen Alters zu Kannibalen. Laute, wüste Schreie. Ich komme von hinten an die Szene ran, im Rücken der Reporter. Ein paar abgesperrte Quadratmeter für die Presse. Aber keiner kontrollierts. Ich laufe mal zu. Grüezi mitenand. Hello. Sayonara. Ah, da, einen vom Fernseh kenn ich. “Ronaldo ist schon drin”, sagt er, und: “aber sonst seh ich nichts. Ein Scheissjob ehrlich gesagt”. Daneben, sein Kolleg vom BBC: “A stunning evening for world football tonight here in … holy bloody holy”. “Und was machst du hier?” “Ja, du, war auf dem Heimweg, da hab ich noch Licht gesehen im Kongresshaus, oder.” “A stunning evening for world f … f… f… ing.” “Da, Maicon!” “Aha.” Ich muss jetzt ehrlich sagen: Der ist jetzt wirklich grösser, als ich gedacht habe. Und robuster. Schätzungsweise würde er die an diesem Abend versammelte Security, und es sind mehr als ein paar Dutzend, mit dem Aussenrist erledigen. Ja, geh nur rein, Maicon, geh nur. Hätte dich zwar gern gefragt, ob das jetzt Absicht war oder nicht da von der Grundlinie aus gegen Korea. “Gleich kommt noch Blatter mit Tutu.” “Aha.” “A stunning evening for world football here in Z … damn bloody … A stunning evening here …”

Wieder viele Schreie, Kreischen, Meuchelgeräusche. Jetzt nehm ich mal mein Telefon raus, Sony Ericsson, 2 Megapixel, als ich es gekauft habe, waren die Jungen in meinem Umfeld neidisch, circa zwei Wochen lang, dann wars auch schon wieder vorbei mit Sony Ericsson zwei Megapixel. Aber an so einem Abend tut es seine Dienste, wie man an David Villa sieht. Und an Messi, Iniesta, Puyol, Piqué. Xavi hatte ich auch drauf, aber hinter einem Leibwächter (nicht Maicon, ein anderer). Eigentlich wollte ich nur seine Schuhe fotografieren: sehr grosse Lackschuhe, aus Höflichkeit sag ich nicht “zu grosse”, nur sehr grosse, glänzend wie seine Vista. Das hab ich jetzt schön gesagt. Eigentlich wollte ich sagen: Wie kann einer mit dieser Übersicht bei der Wahl des Schuhwerks nur so in die Scheisse langen?

Messi trägt Fliege und macht auch bald eine, zurück bleiben weinende Japanerjungen an der Hand ihres Vaters. Toshiba nochmal, so eine weite Reise und dann dreht dir der Messi den Rücken zu. Das ist nicht recht. Ein anderer zeigt seinem Kumpel sein Schweizernati-Trikot: “Ich habe alle im Fall, alle. Messi, Xavi, Iniesta, alle Unterschriften. Ronaldo auch.” “Ronaldo auch? Du hast Ronaldo auf dem gleichen Trikot unterschreiben lassen wie die andern? Spinnst du eigentlich?” Ich atme im Vorbeigehen einen tiefen Zug dieser Leidenschaft ein. Und reihe mich wieder ein. Denn jetzt, wo es vermeintlich schon vorbei ist, geht es erst richtig los. Zuerst sieht man lange nur zwei lange, ungefähr 21-jährige Beine in dunklen Strümpfen, dann aber auch den Rest von ihm: Lodda! Und, ja, doch: dort hinten will einer eins! Schön für dich, Lodda, ein Autogramm darfst du geben. Sie kennen dich eben noch in Zürich, überall. Du Gemütsmore. Du Nudel. Click, mein letztes Bild, Lodda plus. Jetzt ist mein Handy voll. Oder doch noch nicht ganz? Ein Filmchen darfs noch sein, von Pepe Nandrol …, nein, Guardiola. “Pepe”, rufen sie, “Peeeeeeepe, Messias!” Und einer mit Akzent: “Pepe, graçias por esto futbol, graçias”. Pepe: “Halts Maul du Provinzaff” (auf Katalanisch, hat mir eine TV-Reporterin aus Espanyol Batzelona übersetzt). So, Herren, ich muss jetzt langsam. Ah, der René Rindlisbacher noch mit seiner Frau. Momol, gehört halt auch immer dazu, und der Del Bosque schmunzelt auch irgend etwas in seinen Schnauz hinein und der Lucio auch, dieser Jesusfreak. “He, die alte Börse ist dort hinten, wenn du mit dem Heiland ausrasten willst”, rufe ich voll Rohr auf Brasilianisch, “und ICF heisst immer noch Intercity Firm, IST DAS KLAR?” Er nimmt keine Notiz. Arrogante Sau.

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5 Responses to Montag in Zürich

  1. swisspa says:

    Köstlich!

  2. Chicharito says:

    Hundertmal besser als die offiziellen Berichte zum Anlass… ach was, tausendmal!!

  3. sporting says:

    Hättest meine Krücken haben können um dort Amok zu laufen!

  4. Pingback: Auswärtsspiel 02/2011: Wenn Messi eine Fliege anhat und dann sofort eine macht | FussballMag - Das Fussballmagazin rund um die Nationalmannschaft

  5. Stibe says:

    Herrliche Geschichte. A stunning evening indeed.

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